Orte muslimischen Engagements
Das muslimische Engagement in der Metropolregion Erlangen-Nürnberg ist vielfältig. Wir haben Muslimas getroffen, die im religiösen Kontext aktiv sind, aber auch Muslimas, die sich in Vereinen und Organisationen ohne religiösen Bezug ehrenamtlich engagieren.
Die Orte des Engagements von Muslimas, die wir in unseren Recherchen und Erhebungen als typisch erkannt haben, lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen.
Ein Teil der Muslimas ist in Moscheegemeinden oder religiös orientierten Vereinen aktiv. Diese betreiben alle auch Dialogarbeit, möchten also u.a. über den islamischen Glauben aufklären und interreligiöse Kontakte schaffen (siehe auch Engagementmotive). An diesen Engagementorten sind überwiegend oder ausschließlich muslimische Freiwillige aktiv und die Unterstützung der eigenen Community steht im Fokus. Der religiöse und teilweise auch der kulturelle Hintergrund der Aktiven kann als relativ homogen beschrieben werden.
Ein anderer Teil der Muslimas ist dagegen in Vereinen und Organisationen ehrenamtlich tätig, in denen Religion keine Rolle spielt. Die religiösen und kulturellen Hintergründe der Ehrenamtlichen (aber auch Hauptamtlichen) sind heterogener und die Engagementfelder (ebenso wie die Personen, die von der Hilfe profitieren) sind vielfältiger.
Islamische Gemeinden und Vereine als "safe spaces"*
Dass Muslimas sich besonders gerne und umfassend in islamischen Gemeinden und Vereinen engagieren, hat den Aussagen unserer Gesprächspartnerinnen nach nicht nur etwas damit zu tun, dass dort ggf. der Zugang durch persönliche Kontakte leichter fällt oder die dort verfolgten Ziele (z.B. Aufklärungs- oder Dialogarbeit) von den Muslimas geteilt werden. Entsprechende Organisationen oder Initiativen sind den Muslimas tendenziell vertrauter, sie fühlen sich dort als Person angenommen und engagieren sich deshalb gerne in diesen Kontexten:
"Also wo fühle ich mich wohl in welchen Strukturen? (...) Das spielt glaube ich dann letztlich die Rolle, wo sich wer engagiert." (E2)
'Sich wohl zu fühlen' hat hinsichtlich des Engagements von Muslimas nach unserer Einschätzung einen besonderen Stellenwert, weil sie in der deutschen Gesellschaft diverse Diskriminierungserfahrungen gemacht haben und machen (z.B. aufgrund ihres Kopftuches, das den muslimischen Glauben direkt sichtbar macht). Einige der Muslimas äußerten in den Interviews deutlich (andere subtiler), dass sie sich in bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhängen nicht anerkannt und angenommen fühlen:
"Man macht ja gerade ehrenamtliche Arbeit, um was Positives zu schaffen, um vielleicht auch etwas Positives zurück zu bekommen. Wenn ich jetzt irgendwo ehrenamtlich aktiv sein möchte und man hier in der deutschen Gesellschaft mit gewissen Rassismen, Diskriminierung zu kämpfen hat, dann möchte man nicht in der Arbeit noch mehr Diskriminierung erfahren. (...) Da will ich lieber da aktiv sein, wo ich eh schon als Person einfach angenommen werde, mich ausleben kann und mach meine Arbeit, anstatt dass ich mich rechtfertigen muss. (...) Automatisch geht man den Weg, wo man weiß, da bin ich schon willkommen da bin ich als ich angenommen und kann gleichzeitig was Positives schaffen." (G1)
Islamische Gemeinden und Vereine stellen dementsprechend sogenannte "safe spaces" - also sichere Räume - dar, in denen sich Muslimas für ihre Religion nicht erklären oder gar rechtfertigen müssen. Diese Atmosphäre macht es wahrscheinlicher, dass Muslimas sich engagieren.
Nicht-muslimische Initiativen: Hauptamtliche als Schlüsselfiguren
Aber auch nicht-religiöse Organisationen können safe spaces sein. Vor allem eine kultursensible und empathische Arbeit der Hauptamtlichen gilt dabei als zentral:
"Die Art unserer Koordinatorin hat eine große Rolle gespielt. Die Arbeit von ihr gibt uns das Gefühl, dass wir in einer Familie sind." (G2)
Wie man als nicht-muslimische Organisation zu einem Ort wird, an dem sich auch Muslimas wohl, sicher und anerkannt fühlen, wird in unseren Handlungsempfehlungen an unterschiedlichen Stellen aufgegriffen.
Islamische Gemeinden vom Ehrenamt abhängig
Deutlich wurde in den Gesprächen auch, dass insbesondere die islamischen Gemeinden ohne freiwillige Hilfe nicht existieren könnten. Sie sind so angelegt und organisiert, dass finanzielle und persönliche Unterstützung der Muslim/innen vorausgesetzt wird. Im Vergleich zu vielen christlichen Gemeinden, aber auch etablierten Organisationen der Freiwilligenarbeit, fehlt es an finanzieller Grundförderung:
„In den Moscheegemeinden engagieren sich sehr viele Muslime, weil einfach die Moscheen ohne dieses freiwillige Engagement auch nicht laufen würden. Sie bekommen nirgendwo Unterstützung (...) nur von den Gemeindemitgliedern auf Spendenbasis. (…) Das ist auch alles ehrenamtlich, diese Vorstandsvorsitzenden, diese anderen Sachen, die laufen müssen, die müssen da von vielen ehrenamtlichen Mitgliedern auch getragen werden.“ (E1)
Ehrenamtliches Engagement ist also essenziell für das Bestehen und Überleben islamischer Gemeinden. Muslim/innen leisten die notwendige Unterstützung im Alltag der Gemeinden wohl auch deshalb selbstverständlich:
"Alles was da in der Gemeinde passiert, läuft ehrenamtlich, ja vielleicht sollte ich meine Energie erstmal da rein setzen, weil das wichtig ist, dass ein intaktes Gemeindeleben stattfindet." (E2)
*Der Begriff "safe space" begegnete uns im Rahmen eines Austauschs mit muslimischen Mitarbeiterinnen des Projekts "Sehhilfe MUSSlimisch" des Heidelberg Migration Hub.