Handlungsempfehlungen für Freiwilligenorganisationen
Ilona Christl (AWO Nürnberg), Ayse Koc (Begegnungsstube Medina e.V.), Kübra Tan (Muslimisches Bildungswerk Erlangen) und Moderatorin Priscilla Hirschhausen (we integrate e.V.) im Gespräch auf unserer Veranstaltung am 12.10.21 (Foto: Tanja Elm)
Eines der zentralen Ziele unseres Projekts "Muslimas Aktiv - 'Wir sind dabei!' Muslimische Frauen engagieren sich" war die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für eine gelingende interreligiöse Öffnung von Freiwilligenorganisationen.
Mit den Handlungsempfehlungen auf den folgenden Seiten möchten wir Strategien an die Hand geben, die Freiwilligenorganisationen dabei helfen, mehr Diversität zu leben:
Informationen müssen in die Community getragen werden
Die Vernetzung mit muslimischen Organisationen angehen
Die Motive und die Lebenswelt von Muslimas aufgreifen
Interkulturelle Schulungen als zentrales Reflexionsinstrument
Interkulturelle Teams als Symbol für interreligiöse Öffnung
Den Zugang zum freiwilligen Engagement erleichtern
Die Anerkennungskultur an die Bedürfnisse von Muslimas anpassen
Diversität in Freiwilligenorganisationen fördern
Bei all diesen Handlungsempfehlungen haben wir solche Einrichtungen und Initiativen vor Augen, die bislang in erster Linie die Mehrheitsgesellschaft Deutschlands abbilden und bedienen. Eine Interviewpartnerin verwendete hierfür das, wie wir finden, treffende Wort "Biodeutsche" (E5), aus denen diese Organisationen (überwiegend) bestehen. Hiermit sind v.a. die gut gebildeten, gut situierten und häufig bereits älteren Bürger/innen ohne Zuwanderungsgeschichte (in erster Generation) gemeint, die das Gros der Freiwilligen in Deutschland ausmachen (vgl. Simonson et al. 2021, 62ff.).
Doch wir vertreten die Ansicht, dass Freiwilligenarbeit keine sozialen Schranken aufweisen sollte, auch wenn diese oft unbeabsichtigt sind. Immerhin hat Freiwilligenarbeit das Potenzial, eine sehr integrative Wirkung zu haben, und dieses Potenzial gilt es zu entfalten. Deshalb finden wir es entscheidend, dass Freiwilligenorganisationen in einer Einwanderungsgesellschaft, wie sie Deutschland darstellt, Diversität leben. Dies wollen wir mit unseren Handlungsempfehlungen unterstützen. Gleichzeitig zeigen sie aber auch auf, dass interkulturelle Öffnung kein Selbstläufer ist und aus Überzeugung geschehen muss.
Interreligiöse = interkulturelle Öffnung
Es sei vorausgeschickt, dass diese Handlungsempfehlungen zwar aus der Auseinandersetzung mit Muslimas als freiwillig Engagierte entstanden. Doch sehen wir sie als allgemeingültiger an. Denn im Verlauf unserer Studie ist immer deutlicher geworden, dass nicht nur eine interreligiöse Öffnung im Fokus stehen sollte - schon deshalb, weil nicht alle Muslimas religiös sind, wie auch nicht alle z.B. Christ/innen, Juden/Jüdinnen oder Hindus per se religiös sind. Stattdessen sollte es generell um eine interkulturelle Öffnung gehen, in der der religiöse Aspekt als Teil von Kultur immer mitgedacht werden kann und sollte.
Hinzu kommt die zentrale Erkenntnis, dass die Gruppe der Muslimas keine neue Zielgruppe darstellt, die erst für die Freiwilligenarbeit aktiviert werden muss, auch wenn der Freiwilligensurvey ergeben hat, dass Angehörige des Islam die niedrigste Engagementquote aufweisen (vgl. Simonson et al. 2021, 62). Unsere Gesprächspartnerinnen machten deutlich, dass Muslimas vielfältig freiwillig aktiv sind, sowohl im Bereich des informellen, selbstorganisierten als auch des formalen, organisierten Engagements. Wie es in unserem Muslimas-Aktiv-Film heißt: "Sie sind nur nicht so sichtbar". Dies gilt zumindest für die Freiwilligenarbeit der Mehrheitsgesellschaft, während sie in Migrantenorganisationen und Moscheegemeinden vielfach anzutreffen sind.
Muslimas als exemplarische Zielgruppe
Damit kann die Zielgruppe der Muslimas als exemplarisch für viele Minderheiten betrachtet werden, die nur wenig in den Freiwilligenorganisationen der Mehrheitsgesellschaft repräsentiert sind. Aus diesem Grund haben wir die Handlungsempfehlungen an vielen Stellen allgemeiner verfasst. Wir sprechen zudem grundsätzlich von einer interreligiösen UND interkulturellen Öffnung, weil beides von Freiwilligenorganisationen angestrebt werden sollte. Wir haben dabei zwar in erster Linie Muslimas als Zielgruppe vor Augen, doch können die meisten Aspekte auch auf andere kulturelle und religiöse Minderheiten übertragen werden.
So sollen die Handlungsempfehlungen Freiwilligenorganisationen dabei helfen zu überprüfen, inwieweit eine interreligiöse bzw. interkulturelle Öffnung zu leisten ist und wie man sie erfolgreich anstoßen und umsetzen kann.