Die Anerkennungskultur an die Bedürfnisse von Muslimas anpassen

Jede Freiwilligenorganisation sollte eine ausgeprägte, gut durchdachte Anerkennungskultur haben, die Hand in Hand geht mit einem Gefühl für die Bedürfnisse ihrer Freiwilligen. Für eine gelingende interreligiöse/interkulturelle Öffnung kann es deshalb auch nötig sein, die bisherige Anerkennungskultur zu reflektieren und ggf. anzupassen.

Unsere letzte Handlungsempfehlung liegt an sich quer zu allen anderen Aspekten, denn das Thema Anerkennung schwingt grundsätzlich mit, wenn man über Freiwilligenarbeit redet. Sie ist die Währung dieses sozialen Bereichs, sie bindet und entlohnt Freiwillige für ihr engagiertes Tun. Die Freiwilligenarbeit hat zu diesem Zweck einen großen, bunten Strauß an Anerkennungsformen hervorgebracht, mit dem versucht wird, den ganz verschiedenen Bedürfnissen in diesem Zusammenhang zu entsprechen. Doch nicht alle Anerkennungsformen sind für alle Freiwilligenorganisationen leistbar. Deswegen ist es grundsätzlich wichtig zu überlegen, welche Anerkennungsbedürfnisse die Ehrenamtlichen einer Einrichtung haben und wie am besten auf sie eingegangen werden kann (vgl. Eichholz 2020).

Unterschiedliche Bedürfnisse erfordern verschiedene Formen der Anerkennung 

Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie Angehörige anderer Minderheiten können in diesem Kontext Bedürfnisse haben, die die herkömmliche Gestaltung von Anerkennungskultur nicht ohne Weiteres abdeckt. In unseren Gesprächen sind uns verschiedene Hinweise auf eben diese Bedürfnisse gegeben worden, die auch schon in anderen unserer Handlungsempfehlungen erwähnt wurden:

Fortbildungen

  • So können Fortbildungen ein essenzielles Element sein, mit dem die Kompetenzen von Muslimas gestärkt werden. Sie gehören zu dem klassischen Reigen der Anerkennungsformen, werden aber nicht immer ermöglicht, nicht zuletzt weil sie kostenintensiv sein können. Besonders für Zugewanderte können sie jedoch doppelt wertvoll sein, weil sie nicht nur das freiwillige Engagement stützen, sondern auch für die berufliche Entwicklung einen Mehrwert haben können. Die Aushändigung von Teilnahmebestätigungen oder sogar Zertifikaten ist dabei eine große Hilfe und ein wertvoller Ausdruck der Anerkennung. Gleiches gilt für die Ausstellung eines Ehrenamtsnachweises, der das freiwillige Engagement belegt und Bewerbungen beigefügt werden kann.

Austausch und Mitgestaltung

  • Ein regelmäßiger Austausch mit den zuständigen Hauptamtlichen oder anderen Freiwilligen kann eine ähnlich kompetenzfördernde Wirkung haben, indem gemeinsam über Handlungsstrategien reflektiert wird. Dadurch kann zudem die Selbstwirksamkeit der Freiwilligen gesteigert werden. Für die Hauptamtlichen wiederum ergibt sich daraus der Vorteil, dass eine vertrauensvolle Beziehung entsteht. Sie erleichtert ein offenes Gespräch über Bedürfnisse und so auch ein passgenaues Freiwilligenmanagement und kann helfen, die Freiwilligen langfristig zu binden. Was hierzu auch gehören sollte, ist der Austausch über Informationen rund um das Ehrenamt, sodass die Freiwilligen alle Vorteile und jeden Mehrwert ihres Engagements auskosten können und sich als vollwertige Organisationsmitglieder erleben. Letzteres geschieht auch, indem sie je nach individueller Bereitschaft in Projektplanungen und -ausgestaltung involviert werden, um Partizipation zu erleben.

Monetäre und geldwerte Anerkennung

  • Ein Aspekt, der scheinbar gegen den Grundpfeiler der deutschen, unentgeltlichen Freiwilligenarbeit spricht, ist die Einführung von Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschalen. Doch solange das Engagement nicht den Charakter einer geringfügigen Beschäftigung erhält und die Motivation nicht von finanziellen Interessen überlagert wird, gefährden auch geringe Geldzahlungen den Eigensinn und ideellen Wert des Ehrenamtes nicht. Besonders für Personen, die sich schwer damit tun, in den Arbeitsmarkt einzutreten, kann diese monetarisierte Form der Anerkennung ein wertvoller Faktor sein, solange der Aspekt der Freiwilligkeit nicht darunter leidet. Auch wenn der Betrag nicht sehr hoch ist, kann eine derartige Wertschätzung das Selbstbewusstsein stärken, um einen Berufseinstieg leichter zu schaffen. Gepaart mit einer Erweiterung der Kompetenzen kann das tatsächlich helfen, den Weg in die Arbeitswelt zu meistern, soweit es nicht an bürokratischen Mechanismen scheitert. 

  • Wer derartige Pauschalen als Freiwilligenorganisation nicht leisten kann, sollte über andere Möglichkeiten geldwerter Anerkennungsformen wie Freikarten und andere Vergünstigungen vor Ort oder die Bewerbung um Ehrenamtspreise nachdenken. Einerseits ist zwar wichtig, die Freiwilligen für das von der Freiwilligenorganisation vertretene Verständnis vom unentgeltlichen Engagement zu sensibilisieren. Andererseits kann gerade für kompetenzorientierte, langfristig angelegte Engagementformate eine geldwerte Anerkennung von Seiten der Freiwilligen als angemessen empfunden und besonders geschätzt werden. Entscheidend ist dabei nur, dass diese monitäre Anerkennung nicht als leistungsbezogene Vergütung, sondern als Ausdruck von Wertschätzung und Dank betrachtet wird.

Gemeinsame Aktivitäten und Feste

  • Eine der typischsten und wohl auch am meisten verbreiteten Anerkennungsformen ist die Einladung zu gemeinsamen Aktivitäten, wie eine Einladung zum Essen bis hin zu einem gemeinsamen Fest. Durch ihre gemeinschaftsstiftende Wirkung ist diese Form der Anerkennung als besonders hoch zu bewerten. Hier gilt es umso mehr zu überlegen, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden sollten, damit diese Anerkennung  auch bei allen Freiwilligen als solche ankommt. Für Muslimas beispielsweise ist es wichtig, dass alkoholfreie Getränke angeboten werden und es Speisen gibt, die sie mit ihren religiösen Ernährungsvorschriften vereinbaren können. Auch die Gebetszeiten und der muslimische Kalender mit seinen Feiertagen sollten berücksichtigt werden, wenn es um die Auswahl des Termins geht. Derlei Aspekte in Erfahrung zu bringen, ohne das Gefühl zu vermitteln, dass damit ein womöglich lästiger Aufwand verbunden ist, ist eine weitere Form der Wertschätzung. Diese sollte jedoch nicht nur für Muslimas, sondern letztlich für alle Freiwilligen bedacht werden.

Individueller Dank und persönliche Bestätigung

  • Die wohl wichtigste Form der Anerkennung ist jedoch, für Engagementerlebnisse zu sorgen, in denen sich die Freiwilligen als nützlich, hilfreich, willkommen und wirksam erleben. Dies geschieht durch die Dankbarkeit unterstützter Personen, durch persönliche Erfolgserlebnisse, durch die Anerkennung des eingebrachten Erfahrungswissens, durch individuelles Feedback von Hauptamtlichen oder durch das Gefühl der Zugehörigkeit. All das wird durch gut durchdachte und gut gemachte Rahmenbedingungen entscheidend gefördert, zu denen für Muslimas z. B. auch gehören kann, einen Ort für ihr Gebet zur Verfügung gestellt zu bekommen. Derlei Signale, soweit sie auf selbstverständliche Weise angebracht und mitgedacht werden, können eine große Strahlkraft im Sinne der Anerkennung haben, indem sie beweisen, dass die Menschen mit ihren individuellen Bedürfnissen wahrgenommen werden.

Um die spezifischen Bedürfnisse von Muslimas im Speziellen wie auch von Angehörigen kultureller Minderheiten im Allgemeinen zu berücksichtigen, braucht es also keine gänzlich neuen Anerkennugsformen. Aber es braucht eine vielseitige, bedürfnisorientierte Anerkennungskultur, die letztlich allen Freiwilligen zugute kommt - denn jeder Mensch hat individuelle Bedürfnisse, die es zu berücksichtigen gilt.

"Wird Rücksicht darauf genommen, dass er kein Schweinefleisch isst? Solche Sachen, das ist (...) wichtig"

Unsere Gesprächspartnerinnen äußerten sich in den Interwiews und Diskussionen oft dazu, wie sie sich Wertschätzung für ihr Engagement wünschen und wodurch sie sich ehrlich anerkannt fühlen:

"Das betrifft nur die praktizierenden Muslime, die auch ihre fünf Gebete verrichten: wenn sie raus kommen, dann finden sie keinen Platz wo sie beten möchten. (...) Wenn sie ankommen und finden, dass sie diese Möglichkeit haben das ist auf jeden Fall eine Erleichterung für sie und eine weitere Motivation für sie. Und dass man das auch anspricht, zum Beispiel man sagt 'okay, wenn du beten möchtest, dann hast du hier in diesem kleinen Raum deinen Platz'. (...) Ich finde halt, das ist ein großes Zeichen von Nicht-Muslimen, das auch die Motivation stärker macht für Muslime. Ähm dann auf jeden Fall eine Aufwandsentschädigung mit Fahrtkosten. Aber das ist nicht nur für Muslime, ich finde das ist allgemein für alle. Oder halt dass man die Begleitung-, weil viele Leute, (...) die neu in Deutschland sind, kennen sich nicht wirklich aus, wie diese Abläufe oder wie man da arbeitet, und eine Begleitung ist ganz wichtig. Vielleicht man gibt viele Sachen für selbstverständlich, aber sind sie nicht." (E4)

"[Wenn] ein Freiwilliger vielleicht [etwas] machen will, ja was hat er davon am Ende? (...) und kann er seine Gebetszeiten machen? Kann er fasten wenn er da ist? Wird Rücksicht darauf genommen, dass er kein Schweinefleisch isst? Solche Sachen, das ist auch viel-, das ist wichtig, dass auch ein bisschen solche (...) Themen, (...) die vielleicht als Konfliktpunkte im Alltag miteinander sind, auch anzusprechen. Und was (...) bieten auch solche großen (...) freiwilligen oder ehrenamtlichen Institutionen als Lösungen auch an für die Muslime? (...) Nehmen sie das überhaupt wahr, wenn eine Muslima mit Kopftuch [ist, und] sie will in einem Altersheim, weiß nicht, ein paar Monate freiwillig [helfen]? (...) Wird sie angenommen [mit] Kopftuch? [Das] sind solche Fragen, die auch angesprochen werden müssen, auch diskutiert werden und [es] müssen auch ein bisschen Ansätze, Lösungsansätze auch dafür gefunden werden damit es überhaupt klappt. (...) Haben wir auch (...) die Toleranz? Besitzen wir die Toleranz, das auch zu akzeptieren? und eben nicht einfach auch auszuschließen in dem Moment. Trotzdem im Gespräch mit ihnen zu bleiben, das ist auch wichtig, weil derjenige der das macht, will sich auch nicht komisch fühlen, wenn er jetzt sagt 'nee, ich esse kein Schweinefleisch'." (E1)

"dieses Vertrauen, (...) meine religiöse Identität gehört für die dazu und (...) die sehen darin keine Problematik"

"Ich glaube hier ist einfach so die Aussprache und der Austausch sehr sehr entscheidend, weil ich glaube, tatsächlich ist für viele Musliminnen es manchmal auch schwer sowas anzusprechen, wie 'ja ich muss meine Gebetszeiten einhalten, ist es okay, wenn ich kurz in den Nebenraum gehe und bete?' zum Beispiel. Oder (...) sagen wir mal, man macht irgendwie kreative Arbeit oder so, na, Theaterpädagogik oder was auch immer, und man sagt 'ja hier ist für mich eine Grenze erreicht', so was körperliche Beziehungen angeht, 'so will ich da nicht mitmachen' oder so da kann es halt manchmal [schwierig sein], also ich denke das (...) hat auch bisschen was mit dem Mindset zu tun und auch mit dem Selbstbewusstsein das kommunizieren zu können und zu dürfen. (...) In der Umsetzung, denke ich, hat es halt sehr sehr viel damit zu tun, ob ich mich traue das halt jetzt so aktiv anzusprechen, damit ich mich jetzt vollkommen hier wohlfühle oder ob ich das halt nicht tue und ich glaube das braucht halt einfach (...) diesen Vertrauensaspekt, also dieses Vertrauen, diese Menschen nehmen mich erstmal so an wie ich bin und meine religiöse Identität gehört für die dazu und das ist für die auch in Ordnung und die sehen darin keine Problematik für die Arbeit die wir hier tun." (E2)

"Das ist auch ein Hemmnis: Also dass man einfach nicht (...) in seinen Kompetenzen anerkannt wird. Die- diese Wertschätzung an an Wissen, an Erfahrung. Nicht nur ich. Also, auch eine in Anführungszeichen eine Hausfrau, die daher kommt, hat super Kompetenzen. Aber die werden nicht wahrgenommen und auch nicht anerkannt. Anerkannt wird es dann, wenn man es nachweisen kann. Aber das heißt noch lange nicht, dass es wahrgenommen wird. Oder ernst genommen, wie auch immer. (...) Und dann fühlt man sich irgendwie überflüssig. Also, ich habe nichts beizutragen. Das läuft anscheinend ohne mich. Ich hab nichts Neues zu bringen. Ich, ich kann mich da nicht verwirklichen. Und das ist auch ein absoluter Hinderungsgrund. (...) Und in der eigenen Community, da fragt keiner 'hast du studiert'? Da weiß jeder ganz genau: Mensch, wenn die so erzählt, 'oh ja, so hast du? Ach das hast du so gelöst? Weißt du noch was was mit dem und dem zu tun ist?' Ob es auch stimmt oder nicht, man kauft es demjenigen ab." (E5)

"Das ist ein ganz anderes Gefühl, (...) wo man sich denkt: krass, die haben sich darüber Gedanken gemacht! Das ist total schön."

"zum Beispiel [wenn es] jemand gibt, [der] vegetarisch isst und wenn alle essen und gibt es nur mit Fleisch, dann was ist mit den Vegetariern oder Veganern? (...)  Wenn Sie das fragen, [was man essen möchte], das find ich sehr sehr gut, weil dann fühlt man sich (...) 'aha ich bin nicht (...) vergessen worden, die achten darauf was die anderen [brauchen]' zum Beispiel eine Muslima oder ein Veganer oder eine vegetarische Person. Weil [es] ist einmal passiert, [da] war ich eingeladen,    (...) das war für alle Ehrenamtliche. (...) Das war Abendessen, ganz viel Buffet, war [aber] nichts für mich außer Salat und ich wollte Salat holen und es war zu Ende [und es] gab keinen Salat. Ich hab bisschen kleine Tomaten geholt. Dann haben die sich bei mir (...) entschuldigt, aber ich habe mich gefühlt-, weil ich war nur ich und ich glaube noch jemand die war (...) vegetarisch. Ich und sie wir haben kein Essen bekommen, ich habe mich bisschen fremd gefühlt, weil die haben nicht darauf geachtet." (G3)

"Das sind die kleinen Punkte, wo man zum Beispiel sich dann als Muslim oder als Muslima sich wirklich wohl fühlt und wo man dann auch eine ganz andere Energie ins Ehrenamt mit reinbringt oder allgemein in die ganze Sache mit reinbringt (...) zum Beispiel im Essen, wenn man isst, dass man zum Beispiel besonders darauf achtet (...) oder zum Beispiel darauf achtet, was einer anderen Religionsgemeinschaft wichtig ist, dass man das mit integriert und sagt 'ey guckt mal, wenn ihr da kommt, dann habt ihr einen kleinen Gebetsbereich', dass man auch von der gegenüberliegenden Seite merkt: cool, die haben sich Gedanken gemacht. (...) Das ist ein ganz anderes Gefühl, das man dann schon im Voraus hat, wo man sich denkt: krass, die haben sich darüber Gedanken gemacht! Das ist total schön." (G1)

"(...) ich hoffe, dass mehr Austausch passiert."

"Wir würden [es] sehr lieb [finden], wenn wir zum Beispiel Feedback kriegen können. Manchmal gehen wir [zu einem Einsatz], aber wir wissen nicht, [ob] wir gut waren, nicht gut, was unsere Stärken waren, was unsere Nachteile waren, dass man damit lernen kann. (...) Zum Beispiel das Seminar wie können wir uns verteidigen (...) in kritischen Situationen, (...) jeder macht das auf seine Art und Weise. Aber eigentlich muss man sagen, wir haben das nicht gelernt und [es] wäre schön, wenn [es] uns jemand beibringen kann. (...) Ich möchte sagen, mehrere Informationen (...) zu kriegen durch die Seminare oder durch was wir machen tatsächlich Informationen zu haben. (...) Leider jetzt wegen Corona wir haben alle zuhause gesessen, aber früher finde ich war das viel besser weil wir haben einmal [uns] bei [der Freiwilligenorganisation] getroffen und ich habe viele Informationen darüber gehabt. Das war sehr wichtig für mich, ich hoffe, dass mehr Austausch passiert. Ich kenne mehrere Leute, (...) ich bekomme neue Infos und ich werde besser. Ich kann auch besser für meine Arbeit geben." (G3)

"Gerade auch so kleine Schritte sind in dem Be- Sinne auch schon irgendwie erfüllend und deswegen würde ich nicht sagen, dass immer nur die große Arbeit auch in der ehrenamtlichen Arbeit mich erfüllt, sondern manchmal auch nur die kleinen Gespräche, kleine Schritte irgendwie oder kleine Rückmeldungen auch auch vielleicht von Kindern oder so. Oder Erinnerungen, Erfahrungen, (...) die mich da antreiben und weiter motivieren und für mich wichtig sind. Genau." (G1)

"Manchmal rufe ich [unseren Koordinator] an und ich frage ihn nach irgendwas und dann er hat viel Erfahrung und hat immer Antworten für alle Fragen und (...) gute Tipps. (...) Das hilft uns viel. Bei mir ist es oft (...) so passiert, (...) ich weiß nicht was ich tun soll, ich rufe ihn an und (...) er berät mich. (...) Das war immer hilfreich." (G3)

Die Diskussion hinter der Handlungsempfehlung

Der Aspekt der Anerkennung wurde erst ganz zum Schluss, und nicht zuletzt durch die intensive Auseinandersetzung Einzelner unter uns, für uns augenscheinlich.

Interkulturelle Öffnung bedeutet eine Anerkennung von Diversität und damit Diversität in ihren Anerkennungsformen

Doch wenn man es sich genau überlegt, ist eine interreligiöse/interkulturelle Öffnung immer auch eine Anerkennung von Diversität und kulturellen Unterschieden. Insofern liegt der Aspekt wesentlich näher, als wir lange dachten.

Allerdings hat besonders die Thematik rund um die Rahmenbedingungen, die auf die religiösen Praktiken und Grundsätze eingehen, von Anfang an Diskussionen in unserem Forscherinnenteam ausgelöst. Wir waren uns einig, dass in der Gestaltung von Rahmenbedingungen einer der zentralen Schlüssel für die interreligiöse/interkulturelle Öffnung liegt. Jedoch haben wir uns immer wieder die Frage gestellt, wie offensiv man diese Dinge ansprechen darf und wann es durch eine solche Thematisierung wiederum zu ungewollter Diskriminierung kommen kann.

Dies ist besonders dann der Fall, wenn Stereotype bzw. Vorurteile pauschal vorausgesetzt werden. So kann z. B. die suggestiv gestellte Frage: "Sie wollen ja sicher bei unserem Austausch diesmal nichts mitessen, oder? Ich plane Sie da nicht ein. Ist doch gerade Ramadan..." für eine Muslima, die nicht fastet, eine diskriminierende Wirkung haben. Ähnlich verhält es sich, wenn indirekt vermittelt wird, dass es ein großer Aufwand ist oder viel Rücksicht braucht, um Bräuchen und Traditionen von Minderheiten einen Platz einzuräumen.

Echte Wertschätzung zeigt sich im ehrlichen Interesse für die Bedürfnisse des anderen

Unsere unterschiedlichen Gesprächspartnerinnen zeigten auf, wie verschieden Reaktionen auf offen gestellte Fragen nach Bedürfnissen und Gewohnheiten aussehen könnten. Doch aus den ausgewählten Zitaten geht ein Konsens hervor: Wichtig ist ein offener, respektvoller, kultursensibler Austausch, der sich nicht in einem ungleichen Machtverhältnis bewegt, sondern Augenhöhe und Wertschätzung signalisiert. Dabei geht es nicht um Toleranz oder Akzeptanz, sondern um ein ehrliches Interesse an den Bedürfnissen anderer, ohne Stereotype oder Vorurteile zu bedienen und aufzudrängen. Es geht vielmehr darum, Raum dafür zu geben, das zu benennen, was einem Menschen persönlich wichtig ist.