Künstler-Porträt: Matthias Egersdörfer
Matthias Egersdörfer (Foto: Stephan Minx)
10.06.2024 - Seit bereits neun Jahren erhalten alle Freiwilligen aus unseren FZF-Projekten zum Geburtstag eine Kunstpostkarte mit Motiven von Fürther Künstlerinnen und Künstlern. In diesem Jahr trägt die Glückwunschkarte das Motiv „Fliegender Merkur“ von dem fränkischen Multitalent Matthias Egersdörfer.
Matthias Egersdörfer, 1969 in Nürnberg geboren, lebt seit vielen Jahren in Fürth. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Lauf a.d.Peg. In seinem 2019 erschienenen autobiografischen Roman schildert er sein damaliges Leben als „Vorstadtprinz“, so auch der Titel des Buchs.
Eine Kinderheit und Jugend in der fränkischen Provinz
Einfühlsam, mit wunderbar blumenreicher Sprache beschreibt er die Höhen und Tiefen, die ein Junge beim Erwachsenwerden in der fränkischen Provinz durchlebt. Er zeichnet ein liebevolles Portrait jener Zeit, wenn er z. B. vom Einkauf mit der Oma im alteingesessenen Modehaus erzählt, wo er mit ausdauernder Begeisterung in großem Bogen die lange Rutsche in die Kinderabteilung hinuntergleitet, während die Großmutter und der Chef des Hauses, ein Grandsegnieur alter Schule, sich ausgiebig über Neuigkeiten austauschen. Noch während seiner Schulzeit am Laufer Gymnasium wird ihm diese Welt zu eng und es zieht ihn in die Großstadt.
Ein Ausbildungsweg mit vielen Stationen und Richtungswechseln
Das Interesse an der „Arbeit am und mit dem Wort“, so Egersdörfer, hat ihn nach dem Abitur ein Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften und Philosophie an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen aufnehmen lassen. Er hat es fast zu Ende studiert. Aber „es kam irgendwann ein Brief, wo sie rausgefunden haben, dass ich schon länger nicht mehr da war und dann haben sie mir mitgeteilt, dass ich jetzt auch nicht mehr kommen brauch“, erinnert sich Egersdörfer. Es folgte eine Ausbildung zum Medienberater, daran anschließend ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, das er als Meisterschüler bei Prof. Peter Angermann erfolgreich beendete.
Mit Improvisationstheater und Musik entdeckt er die Bühne
Matthias Egersdörfer probierte sich künstlerisch in viele Richtungen aus. Ab 1993 machte er in verschiedenen Ensembles Improvisationstheater und sammelte so erste Bühnenerfahrung. Im gleichen Jahr gründete er in einem Fürther Hinterhaus mit seinem Freund Lothar Gröschel die schräge Boyband „Fast zu Fürth“. Frontmann Egersdöfer ist mit der Band bis heute auf Tour. Ihre Musik „lustwandelt zwischen Volksmusik und Gassenhauer, Pop und einer Art von Rock´n Roll, Rezitativ und Menuett, auf dem schmalen Grat zwischen Scheitern und Siegen“, heißt es auf der Homepage der Band.
Romane, Drehbuch und Kurzgeschichten aus seiner Feder
Wie eine alter Bauernhof in der fränkischen Schweiz in den 1990-er Jahren nach der Gründung des Kulturvereins Winterstein zum Kulturhotspot geworden ist und was Egersdörfer dort alles erlebt hat, verrät „Das Lachen des Grünspechts“, ein autofiktionaler Roman aus dem Jahr 2023, den er zusammen mit Lothar Gröschel verfasst hat. Schon während des Kunststudiums schrieb Matthias Egersdörfer parallel dazu Kurzgeschichten und verfasste das Drehbuch für den Kurzfilm „Der Schüler“, der 2003 mit dem Deutschen Kurzfilmpreis prämiert wurde. 2004 entstand sein erstes Kabarettprogramm.
Kabarett über den normalen Alltagswahnsinn
Obwohl er sich lange nicht sicher war, mit Kunst seinen Lebensunterhalt verdienen zu können, reifte nach und nach sein Entschluss, Kabarettist zu seinem Hauptberuf zu machen. Aus dem scharfsinnigen Menschen- und Alltagsbeobachter Matthias Egersdörfer, wird auf der Bühne ein pointierter Berichterstatter über den normalen Wahnsinn des täglichen Lebens. Dabei möchte er den Leuten nicht sagen, „wo es lang geht oder was der rechte Glaube ist. Er möchte eine gute Mischung aus einem Trip, einer Geisterbahnfahrt, einem Grauen und einem Witz auf die Bühne bringen“, erzählt Egersdörfer in einem Interview. Nicht selten redet er sich bei seinen Auftritten in feinstem Fränkisch in Rage.
Vor der Kamera wird er zum Leiter der Spurensicherung
Mittlerweile ist er weit über die Stadt- und Landesgrenze hinaus bekannt. Im Fernsehen ist er häufig Gast in verschiedenen Kabarettsendungen und seit 2019 kennt man ihn im Franken-Tatort als Leiter der Spurensicherung. In zwei Eberhoferkrimis übernahm er Nebenrollen. Er ist mit renommierten nationalen und internationalen Kabarettpreisen vielfach ausgezeichnet worden. 2018 verlieh ihm die Stadt Fürth ihren Kulturpreis.
Der „Fliegende Merkur“ für FZF-Geburtstagskarte
Im Herbst vergangenen Jahres konnten wir aus 400 Zeichnungen vom „Egers“ ein Motiv für die diesjährige FZF-Geburtstagskarte auswählen. Der „Fliegende Merkur“ kommt ausladenden Schrittes daher. Sein muskulöser Körper ähnelt antiken Statuen und drückt dynamische Kraft aus, ein wenig erinnert er an einen Bodybuilder, der im Fitnessstudio seinen Körper stählt. In der linken Hand hält er einen Merkurstab, an dem sich zwei Schlangen emporwinden. Merkurs Blick geht über den lang ausgestreckten Zeigefinger der nach oben weisenden rechten Hand gen Himmel. Man meint zu erkennen, dass er so ein fernes Ziel fixiert und im Auge behält.
Das Bild entstand bei der Vorbereitung auf eine Prüfung
Im Fürther Stadtparkcafé verriet uns Matthias Egersdörfer, wie seine Zeichnung von der Brunnenfigur, die der flämisch-italienische Bildhauer Giambologna um 1580 geschaffen hat, entstanden ist. „Ich musste mich einmal auf zwei Prüfungen zur Kunstgeschichte vorbereiten. Grundlage dafür war das Standardwerk Die Geschichte der Kunst von E. H. Gombrich. Es enthält 400 Abbildungen von bedeutenden Kunstwerken aus allen Epochen. Ich zeichnete diese in Postkartengröße ab und schrieb jeweils Künstler und Titel auf die Rückseite. Dann wollte ich die Bilder wie Vokabeln einer Fremdsprache lernen.“ Bis zur Prüfung habe er diese Mammutaufgabe nicht geschafft, hat aber nach und nach alle Abbildungen gezeichnet und anschließend digital katalogisiert. Unter dem Titel „Mein Gombrich“ ist daraus schließlich ein digitales Kunstwissen-Quiz entstanden.