Psychische Gewalt

Obwohl die meisten Anzeigen von betroffenen Männern wegen körperlicher Gewaltdelikte gestellt werden, zeigt eine aktuelle Untersuchung: Am häufigsten leiden Männer unter psychischer Gewalt. Dazu gehören z. B. jemanden anzuschreien, zu beleidigen oder zu bedrohen, aber auch emotionale Erpressung und Machtmissbrauch.

Was wir in der Praxis vielfach erleben wird mittlerweile auch durch Studien bestätigt: Ein Großteil der von Häuslicher Gewalt betroffen Männern haben psychische Gewalt erlebt. Weil sie keine körperlichen Spuren hinterlässt, ist sie schwer nachzuweisen und zur Anzeige zu bringen und deshalb in der Kriminalstatistik unterrepräsentiert.

Beleidigung, Drohung, Manipulation, emotionale Erpressung

Psychische (oder auch emotionale) Gewalt bezeichnet Angriffe auf das Selbstwertgefühl und die emotionale Gesundheit einer Person. Anstatt den Körper anzugreifen, werden Betroffene durch Beleidigungen, Demütigungen, aggressives Anschreien oder Erpressungen eingeschüchtert, verängstigt oder erniedrigt. Auch Drohungen gelten als Gewalt, wie die Androhung von körperlicher Gewalt oder des Entzugs der gemeinsamen Kinder.

Eine große Rolle spielen hierbei auch Macht und Kontrolle über die andere Person. So werden z. B. das Handy und Telefonate kontrolliert (digitale Gewalt), der Kontakt zu Familie oder Freunden verhindert (soziale Gewalt) oder das Bankkonto und Geldausgaben kontrolliert (wirtschaftliche Gewalt). Diese Verhaltensweisen werden oft gar nicht als Gewalt erkannt. Viele Betroffene haben gar kein Gefühl mehr dafür, was in Beziehungen eigentlich „normal“ ist. Sie spüren zwar durch die negativen Folgen und Belastung, dass etwas "nicht stimmt", können aber das Erlebte nicht als Gewalt einordnen.

Folgen sind Selbstzweifel, körperliche Stress-Symptome und soziale Isolation

Psychische Gewalt beinhaltet häufig auch emotionale Manipulation und führt oft dazu, dass Betroffene sich selbst die Schuld zuweisen oder an ihrer Wahrnnehmung zweifeln. Sie kann aber auch körperliche Folgen haben und z.B. zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Magenproblemen und Schlafstörungen führen. Betroffene sind meist in einer ständigen „Hab-Acht“ Stellung, da sie im Alltag immer fürchten müssen, verbal attakiert zu werden. Manchmal werden wegen Eifersucht und Misstrauen z.B. das Smartphone, die genaue Dauer des Heimwegs und das soziale Umfeld kontrolliert. Wenn der Kontakt zu Freunden, Arbeitskollegen oder Verwandten verboten wird oder immer mit Vorwürfen und Beschuldigungen einhergeht, kann dies zur sozialen Isolation führen.

Nur ein Streit oder schon psychische Gewalt?

Die Abgrenzung ist manchmal nicht ganz einfach: Was ist ein „normaler“ Streit, und was psychische Gewalt? Hinweise können sein, wenn z.B. in Auseinandersetzungen darauf abgezielt wird, mit Demütigungen und Beleidigungen das Gegenüber herabzusetzen. Wenn es bei einem Streit nicht um eine gemeinsame Lösungsfindung geht, sondern das Gegenüber solange verbal attackiert wird, bis es aus emotionaler Erschöpfung aufgibt oder es in einer Eskalation (evtl. auch mit körperlichen Attacken) endet. Auch wenn im Streit die eigene Wahrnehmung und Empfindung immer wieder in Frage gestellt wird oder Drohungen und Erpressungsversuche eingesetzt werden, handelt es sich nicht um einen Streit auf Augenhöhe.

Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie das, was Sie erleben einordnen sollen, kann eine Beratung sinnvoll sein. Wir sind als Beratungsstelle gern für Sie da.

Quelle: Schemmel, Goede, Müller. (2024): Gewalt gegen Männer in Partnerschaften – Eine empirische Untersuchung zur Situation in Deutschland.